Pressetext. Kommunale Galerie Berlin. Ausstellung. Thomas P. Kausel „Unusual Interactions of Color – Hommage a Josef Albers”. Malerei. Hohenzollerndamm 176 10713 Berlin.
Blauer, gelber – tiefer
Nichts Neues in der Malerei? Doch!
Nach den Prinzipien des Bauhauses, doch mit ganz eigenem Ansatz, erforscht der Berliner Künstler Thomas P. Kausel die Grundlagen der Malerei. Er definiert den Malprozess als das Auftragen von Farb-Substanz, bestehend aus Pigment und Bindemittel, auf einen Untergrund. Pigmente sind kleine Farbkristalle in Pulverform und als farbgebende Substanz der „Roh-
stoff“ für die Malerei; durch Bindemittel wie Leinöl werden sie fixiert. Typisch für Kausel sind drei Innovationen:
Das blaueste Blau, das gelbste Gelb
Von Tausenden auf dem Markt erhältlichen Farben verwendet er nur die 154 lichtechtesten Pigmente. Und er verwendet sie unvermischt, weil sie in ihrer Reinheit am stärksten wirken. Reinheit bedeutet Kraft, getreu dem zweiten Hauptsatz der Wärmelehre. Unvermischtes Gelb erscheint besonders intensiv gelb. Mit nur wenigen, aber geeigneten Pigmenten aus den 154 beständigsten, kann man preiswert und effizient fast jeden Farbton erzeugen. Dr. Tobias Hoffmann, bis 2012 Direktor des Museums für Konkrete Kunst Ingolstadt, jetzt des Bröhan-Museums in Berlin, würdigte diese Forschungsarbeit mit den Worten: „Kausels Untersuchun-
gen haben das Fundament für die Malerei tiefer gelegt“.
Chemische Struktur als Ordnungsfaktor
Kausel integriert in seine Werke Codes wie „Blue 29“ – so heißt das durch Yves Klein bekannt gewordene Ultramarin-Blau im internationalen Colour-Index (C.I.). Das Verzeichnis ordnet die Pigmente nicht wie herkömmliche Farbkreise nach ihrem Aussehen, sondern; nach ihrer chemischen Struktur. „Das Wissen verändert und vertieft unsere Wahrnehmung“, sagt Nelson Goodman, Autor der Symboltheorie „Sprachen der Kunst“. Kausel ist möglicherweise der einzige Künstler, der den C.I. als Grundlage für Malerei nutzt.
Ein neuer Blick und neue Emotionen
„Strahlendes Himmelblau“, Blue 35, neben knallgelbes Aureolin-Gelb gesetzt – ergibt das eine Farbharmonie? Beide gehören zur Gruppe der Kobaltpigmente. Dort, wo sie auf der Leinwand aufeinandertreffen, erzeugen sie überraschende „Interactions of Color“, wie sie Bauhaus-Meister Josef Albers in seinen Untersuchungen nannte. Bei mehrfarbigen Werken – aus Pigmenten derselben chemischen Gruppe – führt Kausel den Betrachter zu neuen ästhetischen Erfahrungen. Und Emotionen. Rasmus Kleine, früher Kurator am MKK Ingol- stadt und jetzt Direktor des Kallmann-Museums für moderne und zeitgenössische Kunst in Ismaning bei München, meinte dazu „So bricht Kausel unser übliches Denken in alt-
bewährten Farbschemata und Harmonien auf und erzwingt einen neuen Blick“.
Quellen: Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt (MKK) Dr. Tobias Hoffmann „Thomas P. Kausel und die Konkrete Farbe“ Katalog Seite 1. MKK Ingolstadt „Szenenwechsel 03/04“ Rasmus Kleine M.A. „geordnete Farben“ Katalog S. 40-43 MKK „Experiment Konkret -Eugen Gomringer zum 80sten Geburtstag“ Katalog S.58-59. Goethe-Institut Helsinki/FIN Prof. Eugen Gomringer „Konkrete Kunst -Elementare Kunst – zu den Arbeiten von Thomas P. Kausel“ Katalog S.9. Thai Deutsche Kulturstiftung Bangkok/Thailand Eugen Gomringer „Von Grund auf Kunst – Das Werk von Thomas P. Kausel“ Katalog S. 7-16
Geordnete Farben
Das künstlerische Programm Thomas Kausels ließe sich beschreiben als unbedingte Rückführung von Malerei auf die reine, unverfälschte Farbe. Sein theoretisch motivierter Ansatz thematisiert weniger die Ausdruckswerte von Farbe als vielmehr deren materielle Substanz und ihre Ordnungsprinzipien. Die wissenschaftliche Akribie, mit der Kausel dieses Programm verfolgt, erinnert an die im 20. Jahrhundert fortwährend formulierte Sehnsucht nach einer radikalen Versachlichung von Kunst, die insbesondere die konkrete Kunst prägt. Letztlich jedoch verweist die freie malerische Behandlung objektivierter Gestaltungsmittel auf die künstlerischen Qualitäten einer Malerei, die sich ihrer vollständigen Versachlichung entzieht.
Mit dem seit 1925 publizierten Colour Index (C.I.) verfügt Kausel über ein Instrumentarium, das die weltweit rund 600 verfügbaren Farbpigmente, von denen knapp 200 aufgrund ihrer hohen Lichtechtheit für die Malerei besonders geeignet sind, klassifiziert und mit einem international verbindlichen Code aus Buchstaben und Ziffern belegt. Anders als in physikalischen Ordnungssystemen wie etwa Newtons Farbkreis werden die Farben hier nicht nach der Wellenlänge des reflektierten Lichts und damit nach ihrer Erscheinung gruppiert, sondern auf der Grundlage der molekularen Struktur ihrer Pigmente. So gehören auch solche Pigmente, die nach unseren herkömmlichen Vorstellungen keinesfalls als verwandt betrachtet werden, dennoch der gleichen chemischen Gruppe an. Thomas Kausel verwendet für seine Werke ausschließlich ungemischte Farben, die mit den im C.I. aufgeführten Pigmenten hergestellt werden.
Seine Installation 6 rote Stelen besteht aus sechs Holzbalken, deren Fassungen ebenso viele verschiedene reine Rotpigmente gleichsam im Raum materialisieren.
Auch die zweiteiligen Leinwandarbeiten wie Blau B 60 (Anthrachinon) und die drei anderen organischen Blaus vereinen jeweils nur Farben einer Gruppe. Dabei geht Kausel von einem frei gewählten Pigment aus, das er zum einen als monochromes Bild präsentiert und zum anderen mit weiteren Farben zu einer geometrischen Komposition zusammenfügt. Da die Chemische Klassifizierung keinesfalls durchgängig unserem Farbempfinden entspricht, erscheinen viele dieser Zusammenstellungen überraschend und bisweilen sogar gewagt. So bricht Kausel, dessen Werk in der aufklärerischen Tradition des Schaffens von Josef Albers steht, unser übliches Denken in altbewährten Farbschemata und Harmonien auf und erzwingt einen neuen Blick auf ein scheinbar bekanntes Phänomen.
Durch die Verwendung eines standardisierten Ordnungssystems als Grundlage seines Verfahrens verleiht Kausel seinen Arbeiten eine wissenschaftliche Fundierung, die in der Bildgestalt aber nicht letzter Konsequenz aufscheint. Denn der C.I. legt jeweils nur den Bereich fest, dem die verwendeten Farben entnommen werden. Die letztendliche Auswahl trifft in einer freien und intuitiven Entscheidung der Künstler, der sich dabei von seinen bildnerischen Vorstellungen und gestalterischen Prinzipien leiten lässt. Auch die Anordnungen der Flächen sowie die unterschiedlichen Arten des Farbauftrags folgen nicht einem festgelegten Schema und zeigen damit keine objektivierte Formensprache. Während einige Flächen von einer nahezu unpersönlichen Glätte sind, werden andere als dynamische gestische Malerei gestaltet oder erhalten durch die Verwendung von Kämmen eine kräftige, die Materialität der Farbe betonende, Struktur.
Weitere Qualitäten der aufgetragenen Farben werden durch ihre unterschiedliche Dichte sichtbar, die aus der Zahl der übereinandergelegten Farbschichten resultiert. So kann beispielsweise dasselbe Blau auf zwei zusammengehörigen Tafeln in unterschiedlicher Helligkeit erscheinen. Diese gestalterischen Strategien, die den wiederholt formulierten Idealen der Konkreten Kunst von absoluter Klarheit und Gesetzmäßigkeit entgegenwirken, werden durch die Anbringung der jeweiligen chemischen Codes auf einzelnen Farbfeldern unterstützt. Denn indem Kausel wiederholt Buchstaben verdreht und nicht alle Flächen bezeichnet, verweigert er diesen Beschriftungen, trotz ihrer sachlichen Erscheinung, die Funktion eines neutralen Instruments im Sinne einer wissenschaftlichen Codierung des Gesehenen.
Kausels malerisches Werk erscheint wie eine wissenschaftliche Versuchsreihe, die nach und nach alle Pigmente des C.I. und damit grundlegende Bedingungen von Malerei systematisch untersucht. Doch ist für Kausel immer das Spannungsverhältnis zwischen den objektivierbaren Gegebenheiten des Bildes, also den Farbverteilungen, und dem fertigen Gemälde als künstlerischer Hervorbringung von entscheidender Bedeutung. So stellt er zwar mit „Wird Malerei überflüssig?“ eine grundlegende Frage nach der Rolle der Malerei, die er jedoch mit seinem malerischen Werk unmissverständlich verneint.
Das Diptychon zeigt mit Trennlinien und den chemischen Bezeichnungen die genauen Flächen und Farbverteilungen von Blau B 60 (Anthrachinon) und die drei anderen organischen Blaus an. Einer Partitur gleich enthält es alle eindeutigen Faktoren, die für die Herstellung dieser Bilder notwendig sind. Anders aber als in anderen Arbeiten, die die allgemeine Bezeichnung einer Farbe ihrer malerischen Ausgestaltung gegenüberstellt und dadurch die universelle Bedeutung des sprachlichen Ausdrucks hervorhebt, offenbaren sich der Gegenüberstellung bei Kausel die spezifischen ästhetischen, emotionalen und – auch diese Deutung steht dem Betrachter offen – symbolischen Qualitäten, die das ausgeführte Gemälde als Kunstwerk über seine reine Struktur und chemisch erfassbare Substanz erheben. Doch ist für Kausel die handwerkliche Arbeit des ausführenden Künstlers entscheidend für die Wirkung seiner malerischen Etüden, die zwar aus rational bestimmbaren Elementen bestehen, gleichwohl aber nicht-rationale, ästhetische Erfahren erlauben.
Text: Rasmus Kleine. Tobias Hoffmann Museumsleiter. Museum für konkrete Kunst Ingolstadt.
Josef Albers – die Wechselwirkung der Farben. Albers experimentierte mit Farben, Formen, Linien, Flächen und ihren Wechselwirkungen auf die kognitive wie subjektive, visuelle Wahrnehmung. „Nur der Schein trügt nicht“. Er hatte wie Piet Mondrian großen Einfluss auf die Entwicklung der amerikanischen Malerei. Sein Werk zählt zu der konkreten Kunst. Mit dieser Serie dokumentiert Kausel seine Untersuchungen über das Zusammenwirken der Farben / “interaction of color”, von mehreren aneinandergefügten, ungemischt auf den Bildträger gespachtelten, quadratischen oder rechteckigen Farbflächen, deren Pigmente nicht physikalisch – nach Farbtönen – ausgewählt wurden, sondern nach der chemischen Zusammengehörigkeit. Auch hier wird verdeutlicht, dass ein Betrachter Farben für sich und miteinander je nach Umgebung völlig unterschiedlich wahrnimmt.